Dossiers
Themenschwerpunkte
Für das Projekt re:framing jenisch hat das Jenische Archiv kurze Dossiers erarbeitet, die einen knapp gefassten Ausgangspunkt für die weitere Beschäftigung mit einzelnen Themen darstellen. Diesen Dossiers sind einzelne Archivalien zugeordnet, um einen Eindruck über die Vielfalt zu vermitteln, haben aber keinen Anspruch auf vollständige Abbildung der Bestände des Archivs.
Die Lebensweise der Jenischen war eng mit ihrer Erwerbstätigkeit als Handelstreibende verbunden.
Lauscht man zwei Tiroler Jenischen, die miteinander in ihrer Sprache sprechen, dann kann es durchaus passieren, dass man zunächst an seinem eigenen Gehör zweifelt: Es klingt eigentlich wie Tirolerisch, aber man versteht kein Wort.
Jede Gruppe hat ihre Sprache – das beginnt beim Jargon der Jugend und den Fachtermini bestimmter Berufsgruppen und endet in der globalen Sprachvielfalt. Sprache ist Erkennungszeichen – und kann dadurch schnell zum Stigma werden.
Mit einigen wenigen Ausnahmen fand das halb-nomadische Dasein der Jenischen im Zuge des letzten Jahrhunderts ein gewaltsames Ende. Vor dieser Zäsur jedoch zählte das unstete, an Karren und Rucksäcken gebundene Leben der Fahrenden für lange Zeit zum bekanntesten Merkmal dieser Bevölkerungsgruppe.
Die Gesellschaft der Jenischen unterschied sich, bis auf die fahrende Lebensweise, nicht allzu sehr vom patriarchalisch geprägten Modell der bäuerlichen Großfamilie.
Das Hausieren, also das Umherziehen und Feilbieten diverser Waren an bzw. direkt vor den Haustüren potenzieller Kundschaft, wurde im Laufe der Zeit gesetzlich immer wieder neu bewertet.
Auch wenn das nationalsozialistische Regime die konsequente Verfolgung und Vernichtung sogenannter “asozialer” Bevölkerungsgruppen, zu denen auch die Jenischen zugeordnet wurden, zu einem grauenhaften Höhepunkt trieb, reicht die Geschichte ihrer Verfolgung weitaus länger zurück.
Desertation im Zweiten Weltkrieg war lange Zeit und für viele Menschen ein Tabuthema. Das Verweigern des Kriegsdienst galt im besten Fall als Feigheit, wurde meistens jedoch als “Verrat” an Kameraden und Vaterland angesehen. Nichtsdestotrotz wird in vielen jenischen Familien – nicht ohne Stolz – von Angehörigen erzählt, die desertierten.
Aus rassenideologischen Gründen kam es vor allem im nationalsozialistischen Regime zu Zwangssterilisierungen solcher Menschen, denen keinen Platz in der nationalsozialistischen Vorstellung der deutschen Volksgemeinschaft zugeschrieben wurde.
Kindeswegnahmen wurden bereits sehr früh als grausames Mittel von Institutionen verwendet, um Jenische und ihre Lebensweise zu unterdrücken und auszulöschen.
Rassistisches Denken war zentraler Bestandteil der nationalsozialistischen Weltanschauung, welche durch pseudowissenschaftliche Ansätze wie die Eugenik gestützt wurde. Jahrhundertelang diente die Rassenideologie als Legitimation der Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung ganzer Menschengruppen.
Waren die Jenischen zwar von der Verfolgung im Nationalsozialismus nicht in erster Linie aus rassistischen Gründen betroffen, wurden sie doch aufgrund ihrer von der nationalsozialistischen Norm abweichenden Lebensweise verfolgt.
Bei der offiziellen Anerkennung der jenischen Volksgruppe seitens der Republik Österreich geht es vor allem um Immaterielles: Um Wertschätzung. Um Respekt. Und um Würde. Um die Restitution von Menschenwürde für diese in Österreich stets „vergessene“ Minderheit.
Waren die Jenischen zwar von der Verfolgung im Nationalsozialismus nicht in erster Linie aus rassistischen Gründen betroffen, wurden sie doch aufgrund ihrer von der nationalsozialistischen Norm abweichenden Lebensweise verfolgt.
Jenische leben in Österreich und ganz Europa und verstehen sich als eine transnationale Minderheit. Der Europäische Jenische Rat spricht von ca. 500.000 Jenischen in Europa.
Überblick
Dossiers
- Anerkennung als Volksgruppe
- Die semi-nomadische Lebensweise
- Diskreditieren der Sprache als Gaunersprache
- Gesellschaftsstruktur
- Heimatrecht, Romehen und Zwang zur Sesshaftwerdung
- Jenisch als Sprache
- Jenische als Händler:innen
- Jenische als transeuropäische Minderheit
- Jenische Deserteure
- Jenische in Konzentrationslagern
- Kindswegnahme
- Rassenideologie
- Verfolgungsgeschichte
- Verstecken, Verschweigen, Assimilieren
- Zwangssterilisierung