Die Provenienz dieser Archivalie – der persönliche Nachlass von Romedius Mungenast – legt nahe, dass er auch der Autor dieses Dokumentes sein könnte, dessen Inhalt er ausdrücklich unkritisch aus den Gerichtsakten übernommen haben soll. Dennoch bleibt die Urheberschaft ungeklärt.
Deshalb werden hier ein paar einleitende Sätze der Lektüre vorangestellt:
Die Polizeiptotokolle dieser Zeit sind alles andere als objektiv: Den Jenischen wird als “Karrner” mit Herablassung, Spott, Zynismus und teilweiße sogar ganz unverhohlenem Hass begegnet, der an blanke Menschenverachtung grenzt. So wird bei einer Anzeige und Verurteilung wegen Inzest und Vergewaltigung als tatmildernder (!!) Umstand allen Ernstes angeführt, dass die Tochter als ungebildete und von Natur aus schambefreite “Karrnerin” unter dem Übergriff nicht allzu sehr leiden könne. Ähnliches gelte für den tatverdächtigen Vater!
Aus den Auszügen wird außerdem durchaus ersichtlich, dass nicht nur die Justiz den Jenischen gegenüber eine negative Grundhaltung einnahm: Den Eskalationen in den Wirtshäusern etc. sind offenbar oft Provokationen durch die anderen Gäste vorangegangen.
Dieser ständige, von altbekannten Vorurteilen geprägte, Umgang der Sesshaften mit den Jenischen ist zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Generationen alt. Die dadurch lange aufgestaute Wut, die auf Seiten der Jenischen herrschen musste, wäre eine plausible Ursache für die offenbar unverhältnismäßig aggressiven Reaktionen auf die Anfeindungen – auch wenn dies den den Griff zur Gewalt nicht entschuldigen soll!
Hinzu kommen auch die unter “braven” Sesshaften sehr verbreiteten, einschlägigen Vorstellungen von (Familien-)Ehre, Hierarchie, Männlichkeit und Anstand, die noch heute oft zu langjährigen Feindschaften und sinnloser Gewalt führen. Da die Jenischen selbst ursprünglich aus der Mitte der sesshaften Gesellschaft stammten bzw. sich ständig an ihr rieben, haben sie auch viele der dort vorhandenen Vorstellungen bewahrt oder übernommen. Darunter selbstredend auch solche, die wohl besser nie durch die Stuben und Köpfe der Menschen geschwirrt wären. Jedenfalls sind keine der Verbrechen und Motive, derer man sie verurteilte, “jenischen Ausnahmen”, sondern ganz im Gegenteil, ein offenbar universelles Kulturgut.