Dossier: Verstecken, Verschweigen, Assimilieren

Die Unter­drü­ckung und Ver­fol­gung der Jeni­schen und der fah­ren­den Lebens­weise reicht bis weit in die Ver­gan­gen­heit zurück (→ Dos­sier: Ver­fol­gungs­ge­schichte). Mit sich suk­zes­sive ver­schär­fen­den Gesetz­ge­bun­gen, die die semi-noma­di­sche Lebens­weise der Jeni­schen erschwer­ten, der anhal­ten­den Aus­gren­zung und Feind­se­lig­kei­ten der sess­haf­ten Mehr­heits­ge­sell­schaft sowie sich ver­än­dern­den wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen ent­schie­den sich im Laufe der Jahr­hun­derte nach und nach immer wie­der Jeni­sche, das Fah­ren auf­zu­ge­ben und dem Zwang zur Sess­haf­tig­keit nach­zu­ge­ben (→ Dos­sier: Hei­mat­recht, Rome­hen und Zwang zur Sess­haft­wer­dung).

Die Ver­fol­gung der Jeni­schen im Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­stärkte diese Dyna­mik: “Im Natio­nal­so­zia­lis­mus war die Auf­gabe der tra­di­tio­nell noma­di­schen Lebens­weise eine Not­wen­dig­keit, um zu über­le­ben. Es gab für Jeni­sche nur zwei Optio­nen: sess­haft zu wer­den und jeg­li­che Spu­ren des fah­ren­den Lebens zu til­gen oder als „Aso­ziale“ poli­tisch ver­folgt zu wer­den. Das bedeu­tete: Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger, Zwangs­ste­ri­li­sie­run­gen, Kin­des­weg­nah­men […]. Das hat sich natür­lich auf die Fami­li­en­struk­tu­ren aus­ge­wirkt. Wollte man wei­ter­hin Jenisch sein, dann musste man es geheim hal­ten. Das Leug­nen der eige­nen Iden­ti­tät wurde zu einer Über­le­bens­stra­te­gie.” (Simone Schö­nett)

Mit dem Schritt in die Unsicht­bar­keit und der Assi­mi­la­tion, in der Hoff­nung, der Ver­fol­gung und Ver­nich­tung im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Regime zu ent­ge­hen (→ Dos­sier: Jeni­sche in Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern), ging viel Wis­sen um Spra­che (→ Dos­sier: Jenisch als Spra­che), Lebens­wei­sen (→ Dos­sier: Die semi-noma­di­sche Lebens­weise) und Fami­li­en­ge­schichte ver­lo­ren. Viele Men­schen wis­sen gar nicht oder erfah­ren erst sehr spät, wenn das Schwei­gen schluss­end­lich gebro­chen wird, von jeni­schen Bezü­gen in ihrer Fami­lie. Doch auch die, die es wis­sen, wol­len sich oft­mals auch heute nicht damit aus­ein­an­der­set­zen: aus berech­tig­ter Sorge vor Aus­gren­zung, spä­ter auch Dis­kri­mi­nie­rung etwa am Arbeits­markt oder bei Behör­den auf­grund ein­schlä­gi­ger Fami­li­en­nah­men, die noch immer mit Stig­mata und Vor­ur­tei­len belegt sind. So sind man­che froh, über Ehe­schlie­ßun­gen die Mög­lich­keit zu haben, einen ande­ren, weni­ger “belas­te­ten” Namen anzunehmen. 

Das Risiko des Schwei­gens, die Gefahr der Assi­mi­la­tion ist das Aus­ster­ben und Ver­ges­sen des Wis­sens, der Spra­che, der Geschichte der Jeni­schen. Dem stellt sich das Jeni­sche Archiv sowie der Ver­ein zur Aner­ken­nung der Jeni­schen in Öster­reich und Europa ent­schlos­sen ent­ge­gen und for­dert die Aner­ken­nung der Exis­tenz der Jeni­schen, ihrer Ver­fol­gungs­ge­schichte und die Resti­tu­tion ihrer Würde ein (→ Dos­sier: Aner­ken­nung als Volks­gruppe).

Verstecken, Verschweigen, Assimilieren

Willi Pechtl: Ille­ga­les Wandergewerbe

Willi Pechtl erzählt von den Erin­ne­run­gen sei­nes Freun­des Karl Götsch. Unter dem Regime der Natio­nal­so­zia­lis­ten wurde das Wan­der­ge­werbe für ille­gal erklärt. Da die Jeni­schen kaum über finan­zi­elle Mit­tel ver­füg­ten, sich ein “ordent­li­ches” Geschäft auf­zu­bauen, musste der Waren­han­del ille­gal im Gehei­men fort­ge­führt werden.

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Sprache

Marco Buck­ovez: Schweigen

Marco erzählt vom ambi­va­len­ten Ver­hält­nis sei­ner Groß­el­tern zur jeni­schen Spra­che. Wäh­rend seine Groß­mutter es durch­aus sprach, wollte der Groß­va­ter nichts davon hören – um die Fami­lie zu schützen.

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Allgemein

Die Geschichte von Rudi

Das Por­trät des aus dem Ober­inn­tal stam­men­den, Jeni­schen “Rudi” – das Assi­mi­lie­ren an die sess­hafte Welt fällt ihm schwer. Über seine Per­son taucht der Autor tie­fer in ver­schie­dene Teile der jeni­schen Geschichte ein.

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