Dossier: Rassenideologie

Ras­sis­ti­sches Den­ken war zen­tra­ler Bestand­teil der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Welt­an­schau­ung und konnte auf die will­fäh­rige Unter­stüt­zung der Uni­ver­si­tä­ten bauen, die die ”ras­sen­hy­gie­ni­schen” Maß­nah­men der Natio­nal­so­zia­lis­ten durch ver­meint­lich objek­tive For­schungs­er­geb­nisse und Gut­ach­ter­tä­tig­kei­ten legi­ti­mier­ten. Seit dem 19. Jahr­hun­dert diente die Ras­sen­ideo­lo­gie als Legi­ti­ma­tion der Aus­gren­zung, Ver­fol­gung und Ver­nich­tung gan­zer Menschengruppen. 

Beson­ders rele­vant für die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Bio­po­li­tik war die zur „Ras­sen­hy­giene“ radi­ka­li­sierte Form der Euge­nik. Diese bezeich­net eine in der zwei­ten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts geprägte und in der ers­ten Hälfte des 20. Jahr­hun­derts weit­ver­brei­tete dua­lis­ti­sche Fehl­in­ter­pre­ta­tion der dar­wi­nis­ti­schen Evo­lu­ti­ons­theo­rie. Will­kür­lich wur­den gene­ti­sche oder zuge­schrie­bene phä­no­ty­pi­sche Merk­male in “gut” oder “schlecht” ein­ge­teilt und somit Men­schen zu mehr oder weni­ger “wert­vol­len” Indi­vi­duen ver­ur­teilt. Dabei geht die Euge­nik auch davon aus, dass gewisse Wert- und Moral­vor­stel­lun­gen gene­tisch ver­an­kert sind und dem­nach ver­erbt wer­den kön­nen. Somit diente die Euge­nik als Grund­lage dafür, all die­je­ni­gen zu ver­fol­gen und zu ver­nich­ten, die nicht in das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Welt­bild pass­ten oder davon abwei­chende Lebens­wei­sen pflegten. 

Bereits kurz nach dem soge­nann­ten Anschluss wurde ras­sen­hy­gie­ni­sches Den­ken an öster­rei­chi­schen Uni­ver­si­tä­ten insti­tu­tio­na­li­siert und im Zuge der Imple­men­tie­rung des in Deutschlang bereits 1933 beschlos­se­nen „Gesetz[es] zur Ver­hü­tung erb­kran­ken Nach­wuch­ses“ Erb­ge­sund­heits­ge­richte und Erb­ge­sund­heits­ober­ge­richte ein­ge­rich­tet und an bestehende Gerichte ange­glie­dert. Beach­tet wer­den soll hier Fried­rich Stumpfl, der Lei­ter des Erb- und Ras­sen­bio­lo­gi­schen Insti­tuts der Uni­ver­si­tät Inns­bruck, der für die wis­sen­schaft­li­che Defi­ni­tion der „erb­li­chen Aso­zia­li­tät“ sorgte und sein Assis­tent Armand Mer­gen, der drei Monate uner­kannt unter Jeni­schen in Hall lebte. 

Da Jeni­sche den Natio­nal­so­zia­lis­ten als „Deut­sche“ gal­ten, wur­den sie nicht als Gesamt­gruppe Opfer der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­nich­tungs­ma­schi­ne­rie. Auf­grund ihres „unste­ten“ Lebens­stils gal­ten sie jedoch als Abwei­chung von der „natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Norm“ und als „ver­un­rei­nigt“, wes­we­gen häu­fig auf Basis der Dia­gnose „ange­bo­re­ner“ oder „mora­li­scher Schwach­sinn“ auf sie zuge­grif­fen wurde – sie wur­den ver­folgt, zwangs­ste­ri­li­siert (→ Dos­sier: Zwangs­ste­ri­li­sie­rung), depor­tiert (→ Dos­sier: Jeni­sche in Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern) und ermordet. 

Zwar ent­wi­ckelte und ver­fes­tigte sich die Ras­sen­ideo­lo­gie schon vor der und auch durch die Macht­über­nahme der Natio­nal­so­zia­lis­ten (→ Dos­sier: Ver­fol­gungs­ge­schichte), doch war es das Hit­ler-Regime, das diese Ideo­lo­gie mit fana­ti­scher Vehe­menz befeu­erte. Es war der Geist der Euge­nik, der den Holo­caust ermög­lichte, unzäh­li­gen Men­schen das Leben kos­tete und auch heute noch – wenn viel­leicht auch in ande­ren Wor­ten – Grund­lage für zahl­rei­che Ras­sis­men und Unter­drü­ckungs­struk­tu­ren bildet.

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