Dossier: Jenische in Konzentrationslagern

Die Natio­nal­so­zia­lis­ten hat­ten meh­rere juris­ti­sche Mit­tel instal­liert, um sich jener Men­schen zu ent­le­di­gen, die ihnen ein Dorn im Auge waren, dar­un­ter auch die Depor­ta­tion in Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger. Waren die Jeni­schen zwar von der Ver­fol­gung im Natio­nal­so­zia­lis­mus nicht in ers­ter Linie aus ras­sis­ti­schen Grün­den betrof­fen, wur­den sie doch auf­grund ihrer von der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Norm abwei­chen­den Lebens­weise ver­folgt (→ Dos­sier: Ras­sen­ideo­lo­gie). Im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Regime galt jede:r als “Volks­schäd­ling”, die:der nicht die­selbe Vor­stel­lung einer gemein­sa­men Ide­al­zu­kunft hatte – und das auch in akti­vem oder pas­si­vem Wider­stand kund­tat. Pazifist:innen, Kommunist:innen und Antifaschist:innen gal­ten als ebenso schad­haft wie soge­nannte “Aso­ziale” (→ Dos­sier: Jeni­sche Deser­teure).

Als “aso­zial” galt jede:r, die:der kei­ner gere­gel­ten Arbeit nach­ging (“arbeits­scheu”) oder sonst irgend­wie von der gut­bür­ger­li­chen Norm abwich bzw. auf sozi­al­staat­li­che Unter­stüt­zung ange­wie­sen war: Alkoholiker:innen, Klein­kri­mi­nelle, Sexarbeiter:innen – bis zu einem gewis­sen Grad auch psy­chisch auf­fäl­lige Men­schen und Systemkritiker:innen. Auch der sess­hafte Lebens­stil galt dem (semi-)nomadischen als zivi­li­sa­to­risch von jeher überlegen. 

Bereits vor der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­er­grei­fung wur­den Jeni­sche als “arbeits­scheu” dif­fa­miert, und ihnen Kri­mi­na­li­tät und mit­un­ter auch aus­ufern­der Alko­ho­lis­mus nach­ge­sagt, mit der Folge will­kür­li­cher Inter­nie­run­gen in Zucht­häu­sern und Arbeits­la­ger (→ Dos­sier: Ver­fol­gungs­ge­schichte).

Das Aus­maß an Depor­ta­tion von Jeni­schen in Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern ist wis­sen­schaft­lich wenig auf­ge­ar­bei­tet. Klar doku­men­tiert sind jedoch ein­zelne Fälle. 

Pio­nier­ar­beit hat in die­ser Hin­sicht der His­to­ri­ker Horst Schrei­ber geleis­tet. In zahl­rei­chen Arti­keln etwa im Gais­mair-Jahr­buch oder in der Publi­ka­tion “Fah­rend? Um die Ötz­ta­ler Alpen. Per­spek­ti­ven jeni­scher Geschichte in Tirol” hat er Ein­zel­schick­sale doku­men­tiert und einen Über­blick über die Hin­ter­gründe der Ver­fol­gung Jeni­scher im Natio­nal­so­zia­lis­mus gebo­ten. Er betont dabei, dass “[d]ie Poli­tik des Natio­nal­so­zia­lis­mus […] gegen­über den Fah­ren­den zunächst mehr Kon­ti­nui­tät als Bruch [war], sie setzte die tra­di­tio­nel­len Ver­fol­gungs­maß­nah­men fort, pro­fes­sio­na­li­sierte sie und spitzte sie zu.” (Schrei­ber, Horst: “Die Jeni­schen im Natio­nal­so­zia­lis­mus” in “Fah­rend? Um die Ötz­ta­ler Alpen. Aspekte jeni­scher Geschichte in Tirol” S. 127.) 

Dem jeni­schen Archiv sind bis­her knapp 40 Tiro­ler Jeni­sche bekannt, die von den NS-Behör­den ver­folgt wur­den. Min­des­tens neun davon über­leb­ten das Ende des Regimes nicht.

Jenische in Konzentrationslagern

Amts­kor­re­spon­denz: Unter­brin­gung aso­zia­ler Ele­mente in Arbeitsanstalten

Amts­un­ter­la­gen aus dem Stadt­ar­chiv Inns­bruck, die sich mit der Inter­nie­rung von “aso­zia­len Ele­men­ten”, als wel­che auch die Jeni­schen gal­ten, befas­sen. Im tro­cke­nen Büro­kra­ten­deutsch wird das Vor­ha­ben abge­nickt, nach­dem offen­bar wenige Monate zuvor eine detail­lierte Liste der für die Depor­ta­tio­nen in

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