Wandergewerbe Genehmigung d. Johann Grünauer
Ansicht eines “Hausierpasses” ausgestellt für Johann Grünauer.
Die Lebensweise der Jenischen war eng mit ihrer Erwerbstätigkeit als Handelstreibende verbunden. Bevor auch das letzte Seitental im Seitental infrastrukturell erschlossen wurde, waren jenische Händler:innen oft die Einzigen, die neue Waren, Dienstleistungen oder Nachrichten aus den entfernten Ecken der Welt in die oft abgelegenen Ortschaften brachten (→ Dossier: Die semi-nomadische Lebensweise).
Auch wenn man ihnen häufig mit Misstrauen begegnete, die Handelsgüter und Dienstleistungen der Jenischen waren begehrt. Sie brachten Zitrusfrüchte aus dem Süden, vertrieben Porzellanwaren, Geschirr und Textilien. Sie flochten qualitativ hochwertige Körbe, schliffen Messer und Scheren, flickten Kessel und Schirme, banden Besen oder halfen bei körperlichen Arbeiten am Hof aus. Manche handelten mit lebenden Wildvögeln, Hunden oder Katzen – und verkauften die bei den Sesshaften begehrte Medizin, die aus diesen Tieren hergestellt wurde, wie etwa Hundetalg, der gegen Bronchitis helfen soll.
Als fähige Geschäftsleute oder Handwerker:innen waren Jenische beim einen oder anderen Haushalt durchaus gerne gesehen und in der Form sogenannter “Hausierlizenzen” wurde ihnen dieses Dasein dereinst sogar offiziell verbrieft. Doch je mehr aufkeimende Betriebe jenische Händler:innen als Konkurrenz betrachteten und die Ämter mit ihrem Unmut adressierten, desto beschwerlicher wurde es für Jenische, solche Lizenzen zu erlangen bzw. diese zu behalten (→ Dossier: Heimatrecht, Romehen und Zwang zur Sesshaftwerdung). Das nationalsozialistische Terrorregime setzte schließlich daran, dieses jahrhundertealte Recht der Fahrenden komplett abzuschaffen (→ Dossier: Verfolgungsgeschichte).
Spätestens in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts, als die Verkehrserschließung Tirols abgeschlossen war, das Auto immer mehr zum Inventar eines Haushaltes gehörte und der Kapitalismus mit seinen Massenprodukten auch die letzte Marktnische erschließen konnte, war es mit der Bedeutung der Jenischen als Händler:innen, Handwerker:innen oder Verbreiter:innen von Nachrichten mehr oder weniger vorbei. Einige wenige, die als Kinder noch mit ihren Eltern auf traditionelle Weise unterwegs gewesen waren, hielten bis in die 1980er-Jahre an diesem Erwerbsmodell fest. Mittlerweile in der Regel sesshaft geworden, fuhren sie nun meistens selbst motorisiert umher, kauften ihre Produkte bei Großhändler:innen (oft auch deren Restposten), verarbeiteten diese nach Bedarf und vertrieben sie im Anschluss.
Jenische, die sich ihren Lebensunterhalt auf diese Art verdienen, gibt es noch heute.
Ansicht eines “Hausierpasses” ausgestellt für Johann Grünauer.
Ein solches Formular musste einst von jeder Person ausgefüllt werden, die sich legal einen Lebensunterhalt als Hausierende:r verdienen wollte.
Eine Nachempfindung eines einachsigen Zugkarrens samt Inhalt, wie ihn viele Jenische besaßen. Das Exponat ist eine moderne Interpretation und im “Vuseum” in Schluderns zu besichtigen.
Gefördert vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport sowie dem Land Tirol.