Sieglinde Schauer-Glatz: Die Stärke Jenischer Frauen
Jenische Frauen wussten sich durchaus zu wehren.
Die Gesellschaft der Jenischen unterschied sich, bis auf die fahrende Lebensweise, nicht allzu sehr vom patriarchalisch geprägten Modell der bäuerlichen Großfamilie – jedoch unterhielt man oft weitreichende Kontakte zu den entfernten Cousins und Cousinen, Onkeln und Tanten. Zu gewissen Zeiten im Jahr konnte es dazu kommen, dass sich mehrere Äste der Familie bei ihren Wanderungen an einem Ort zusammenfanden, um sich dort auszutauschen, zu feiern und neu kennenzulernen. Die jenische Sprache spielte dabei oft eine wichtige Rolle, da sie so manche über die Landes- und Sprachgrenzen hinaus gewachsene Familie zusammenhielt (→ Dossier: Jenisch als Sprache). Als Wissensspeicher und Geschichtenerzähler:innen genossen die Älteren einen besonderen Respekt, sowie auch die Kinder, die in der Gruppe gemeinsam aufgezogen wurden.
Die Jenischen waren, entgegen ihrem Ruf, nicht wirklich kinderreicher als andere Familien zu diesen Zeiten. Das Ehegelübde wurde genauso ernst genommen, wie bei den Sesshaften – sogar noch etwas ernster, wie manche Jenische gerne selbst behaupten.
Die Jenischen unterschieden sich aber in ihren Traditionen und Wertvorstellungen von den sesshaften Nachbar:innen. Ein Hauptaspekt ist dabei das Teilen. So gehört etwa die Natur allen Menschen und teilt ihre Früchte mit allen. Ein Apfelbaum z.B. wächst also nicht nur für seine Besitzer:innen, sondern für alle Menschen.
Weil das Teilen ein Grundwert in der jenischen Kultur ist, maß man dem Horten von Reichtümern oder einem persönlichen Status weniger Bedeutung zu als manche Sesshafte. Im Gegenteil. Man teilte die erwirtschafteten Ressourcen mit der Großfamilie, das gehört(e) zum guten Ton – und war (und ist) gleichzeitig auch (über-)lebensnotwendig.
Jenische Frauen wussten sich durchaus zu wehren.
Willi Pechtl erzählt von einer Begebenheit, die er mit dem Jenischen Peter Vonstadl erlebte. Dieser lieh sich, da selber mittellos, Geld von einem sesshaften Freund, um einige Waren transportieren und verkaufen zu können. Nach dem offenbar gelungenen Verkauf kehrte Peter zurück und zahlte aus Dankbarkeit mehr als den Kredit zurück.
Sieglinde schwärmt über das Freiheitsbewusstsein der Jenischen. Da sie sich in ihrem Selbstverständnis auch selbst nicht als Teil der sesshaften Gesellschaft begriffen, waren die Jenischen auch frei von deren kulturellen Zwängen.
Peter spricht darüber, wie er den ehelichen Zusammenhalt seiner jenischer Familie miterlebt hat und hebt insbesondere deren eiserne Treue hervor. Er erwähnt außerdem beiläufig, dass ein Teil seiner Verwandtschaft, wie er selbst, als Kinder in Pflegefamilien gelebt haben. Kurz macht
Marco spricht über die Glaubensvorstellungen seiner jenischen Ahnen und Familienmitglieder.
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